Braacher jubeln spät

Kreisliga B 2 am Samstag: SG Haselgrund kassiert 1:2 in 90. + 3

14.05.2016 Um ein Haar hätte die SG Haselgrund am Pfingstsamstag beim Spitzenreiter der Fußball-Kreisliga B2, dem TV Braach, für eine faustdicke Überraschung gesorgt. Denn erst in der dritten Minute der Nachspielzeit gelang Sebastian Hafermas der 2:1-Siegtreffer für den Favoriten. Der Tabellenzweite TSV Baumbach konnte sich dagegen fürs Gipfeltreffen am gestrigen Montag gegen den TV Braach ausruhen. Denn sein Gast aus Raßdorf trat nicht an.

TV Braach - SG Haselgrund 2:1 (1:1)

Tore: 0:1 Benedikt Dirk Gossler (27.), 1:1 Christian Stier (37.), 2:1 Sebastian Hafermas (90.+3).

(Quelle HNA vom 17.05.2016)

Ausführlicher Spielbericht auch von der Zweiten, die die Relegation klar gemacht hat!

TV Braach II – SG Haselgrund II, TV Braach I – SG Haselgrund I 14.05.16

Als Zuschauer beim TV Braach ist man wohl oder übel der Mitglied eines Elitärklubs. Ein durchschnittlicher Zuschauer findet ihn seinen Händen höchstwahrscheinlich das ein oder andere geraufte Haar, glänzt womöglich mit abgekauten Fingernägeln und ist sicherlich um viele, viele Jahre gealtert. Die Spannung macht es möglich.

Im Prinzip beginnt alles ganz locker – die Zweite trifft zunächst auf die zweite Mannschaft der SG Haselgrund. Diese steht im unteren Mittelfeld der Tabelle und konnte bereits aus Spielermangel an einigen Spieltagen nicht antreten. Die Heimmannschaft beginnt souverän, nutzt die spielerische Überlegenheit, um sich bis zum gegnerischen Tor vorzuarbeiten, verliert sich aber viel zu oft in Schönheit. Klar, das Training eröffnet den meisten bisher ungeahnte fußballerische Fähigkeiten, Fußball ist jedoch kein Einzelsport. Dementsprechend will das Runde auch zunächst nicht ins Eckige, der Ball lässt sich weder von einzelnen Spielern, noch von ganzen Mannschaftsteilen ins Tor tragen.

In der Halbzeit möllert es mal wieder in der Kabine. Thorsten Möller nimmt kein Blatt vor den Mund und sagt so wie es ist: „Bisher ist das alles scheiße“. Dessen ist sich in diesem Moment vermutlich jeder Spieler bewusst. Man muss wieder als Mannschaft funktionieren. Nach dem Anpfiff wird der erste Ball direkt schlampig ins Seitenaus befördert. Möller läuft an der Seitenlinie schon rot an. Direkt im nächsten vernünftigen Angriff sorgt Braach für die Wiedergutmachung – der Ball landet über mehrere Stationen bei Leon Bettenhausen, dieser tut endlich das einzig Richtige und schließt flach und präzise ins lange Eck ab. Kurz nach der Führung wird Möller eingewechselt und geht mit dem besten Beispiel voran. Kurzer Sprint in den gegnerischen Sechzehner, Querpass auf den perfekt positionierten Rühl – 2:0 Braach.

Haselgrund versucht währenddessen, das Maximum aus den eigenen spielerischen Fähigkeiten herauszuholen und wird letztendlich für die Mühe belohnt. Ein abgefälschter Ball reicht den Gästen, um den Anschlusstreffer zu erzielen. Braach schläft aber auch schon lange nicht mehr, das Mannschaftsgefüge funktioniert wieder, die individuellen Fähigkeiten sind immernoch präsent. Fabian Bock lässt einen Gegenspieler aussteigen und schlenzt den Ball aus dem Stand auf das gegnerische Tor. Der Torwart streckt sich vergeblich – Bocks Kunstschuss passt perfekt ins linke untere Eck. Nun ist Braach auch nicht mehr zu halten, die Zweite dominiert die Partie nach Lust und Laune. Den Schlusspunkt setzt Frithjof Winterberg mit einem wuchtigen Kopfball nach einer Ecke von Möller. 4:1 – der Relegationsplatz ist TV Braach II somit nicht mehr zu nehmen.

Und was ist mit der Ersten? Naja, das Übliche eben, bis auf eine Ausnahme.

Schneider, der aus familiären Gründen abwesend ist, wird kurzerhand vom Interimsgespann aus Betreuer Ralf Lorenz und Kapitän Martin Börner ersetzt. Börner bittet in der Kabinenansprache darum, das Spiel ausnahmsweise mal nicht so spannend zu machen wie die letzten Male, als Tore immer auf den letzten Drücker fielen. „Versuchen kann man’s ja“, denkt sich Börner bestimmt. Anfangs sieht es gut aus für die Erste. Braach macht das Spiel, Haselgrund hält zwar gut dagegen, die Gastgeber kommen dem Tor aber immer näher. Dann kommt es wieder, das eklige Gegentor der letzten Wochen. Wie immer unerwartet, unerwünscht, ungünstig. Die Abwehr pennt, Querpass im Strafraum, Führung für Haselgrund. Schon wieder dasselbe. In solchen Situationen schimpft jeder Zuschauer, der Braacher Zuschauer wartet stattdessen.

Braach drückt noch mehr aufs Gas, zehn Minuten später macht der sonst glänzend aufgelegte Torhüter der Gäste seinen einzigen Fehler im Spiel. Einen Schuss der Braacher Offensivabteilung kann er nicht festhalten, eine winzige Unaufmerksamkeit. Diese reicht Christian Stier völlig aus, er ist als erster am Ball und drückt das Leder über die Linie. Einige Minuten später ertönt der Halbzeitpfiff.

Was in der Halbzeitpause in der Kabine passiert, ist leider nicht bekannt. Höchstwahrscheinlich ist Börner unzufrieden, vermutlich riecht er schon, worauf das Spiel hinauslaufen wird. In der zweiten Hälfte rennt Braach die überforderte Defensive der SG Haselgrund praktisch nieder. Der eingewechselte Luft, Stier, Röhrig, Pfaffenbach scheitern meist am gegnerischen Torhüter. Die Spielminuten laufen, Braach läuft, die Gäste laufen hinterher. Die Nachspielzeit beginnt. Jeder normale Zuschauer verzweifelt. Der Braacher Zuschauer wartet. Er rauft sich die Haare, er kaut an den Fingernägeln, die Nerven liegen blank, aber er wartet. Vermutlich ist er (oder sie) genau deshalb hier. Er musste so viel leiden in den letzten Wochen, so viele Last-Minute-Treffer ertragen, so viele Situationen durchzittern. Mittlerweile ist er süchtig, süchtig nach Braacher Siegen, nach der maßlosen Freude, nach dem unfassbaren Adrenalinkick.

Es ist die Nachspielzeit. Seien wir ehrlich, wir wissen alle, was jetzt passiert. Freistoß in der 93. Minute und dafür gibt es genau eine Person. Max Knake legt sich den Ball zurecht, alle sind im gegnerischen Strafraum. Der ganze Sportplatz vom Sporthaus über die Würstchenbude bis zum Fußballfeld hält den Atem an. Max läuft locker an, chippt den Ball in den Strafraum und dort steht er. Hafermas, gefühlt drei Meter groß, sträflich allein gelassen. Er köpft ihn ein, zum 2:1. Schluss, aus, Ende.

Warum Braach so oft in der letzten Minute gewinnt? Eine Theorie dazu gab es schon im letzten Bericht. Manchmal dauert so ein Siegtreffer eben ein wenig länger. Aber egal wie lange es dauert, der Braacher Zuschauer wartet.

   
© 2012 TV 1919 Braach